CfP: Strategien des Temporären, Legitimation des Dauerhaften. Die Konsolidierung der Bonner Republik in NRW

Veranstaltet von: „Moderne im Rheinland“/Zentrum für Rheinlandforschung, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf in Kooperation mit dem Forschungsverbund „Bonner Republik“ an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Datum: 24.02.-25.02.2023

Ort: Düsseldorf und/oder Bonn

Bewerbungsschluss: 15.09.2022

English Version

Im Fokus der Tagung steht die „Bonner Republik“ als historischer Zeitraum, als Klammer für die Anfänge der Bundesrepublik in NRW sowie als Erinnerungsraum, wie er aktuell in der Öffentlichkeit sowie in der Wissenschaft verhandelt wird. In der Geschichtsschreibung der Bundesrepublik stellt die Darstellung des Regierungssitzes und der Bundeshauptstadt Bonn als Provisorium aufgrund der baulichen Situation einen Allgemeinplatz dar. 1977 beschrieb der Spiegel die besondere Bonner Bausituation als „Provisorium in Permanenz“. Tatsächlich öffnet das Spannungsfeld zwischen Bestand und Übergang Perspektiven auf die gesamte zeitliche und räumliche „Bonner Republik“, denen sich die Tagung „Strategien des Temporären. Legitimation des Dauerhaften. Die Konsolidierung der Bonner Republik in NRW“ widmet. Die Tagung fokussiert den so abgesteckten Zeitraum und untersucht das Adernetz seiner dezidiert erklärten Vorläufigkeit sowie seine sich latent konfigurierende Permanenz. Mit dem besonderen Augenmerk auf NRW, das erst 1946, drei Jahre vor der Ausrufung der „Bonner Republik“, von der Besatzungsmacht Großbritannien aus den autonomen Provinzen Nordrhein und Westfalen zusammengesetzt und gleich als bevölkerungsreichstes Bundesland gegründet wurde – einschließlich der rasch nachfolgenden Eingliederung des selbstständigen Landes Lippe 1947 – entfaltet sich ein weitreichendes Themenspektrum: Das Auskultieren von Interdependenzen und Synergien zwischen „Bonner Republik“ und Bundeslandregion, das Abschreiten von Erinnerungsorten, Untersuchungen der Identitätsmarkierungen von Städten, konkret von Architektur, Kunst, Literatur, Musik, Theater oder auch von Rundfunk und Fernsehen oder Zeitung und Zeitschriften (signifikantes Beispiel: „Neues Rheinland“ erschienen von 1958 bis 2003) sollen im Rahmen der Tagung als exemplarisch prägende Elemente und Katalysatoren untersucht werden.

In welchem Themenfeld man sich auch bewegt, die Reflexion der Fragestellung sollte allen gemeinsam sein: der Leitfaden der geradezu dialektischen Verknüpfung von der intendierten Absicht, ein Provisorium zu installieren, mit dem in einer unmerklichen Kondensation sich vollziehenden Ergebnis seiner manifesten Durchsetzung – was unwillkürlich darauf hinausläuft, dass der Leitfaden selbst spannende Fragen aufwirft: Lassen sich gezielt eingesetzte Strategien ausmachen, und seien sie homöopathischer Natur, die in der „Bonner Republik“ auf den schleichenden Werdegang von einer Präponderanz des „Provisoriums“ über eine ausbalancierte Doppelachse von Provisorium und Permanenz bis zu einer fraglosen strukturellen Verfestigung und Dauerhaftigkeit des einstigen Gestus „Erst-einmal-Loslegen“ direkten Einfluss nehmen? Welche politischen, wirtschaftlichen, kulturellen Kräfte sind im Spiel, wenn ein deklariertes „Provisorium“ sich zu einer konsensuell etablierten Faktizität konstituiert? Welchen Beitrag zur Bundesrepublik leisten die provisorischen Momente, was ist ohne deren Gerinnung zu einem beharrlichen, belastbaren Fundament nicht denkbar? Und welche Gravitation entfaltet in dem politischen Armageddon der Nachweltkriegszeit ein freiheitlich demokratisches Grundgesetz?

Wird ein fixer Zeitraum im Verbund mit einer Ortspezifik NRW untersucht, verspricht es einen Zugewinn an Erkenntnissen, wenn dem Binnenblick Außenansichten hinzugesellt werden. Dazu gehört u.a. die Auslotung der wechselseitigen Einflüsse von allen westdeutschen Bundesländern – zum Beispiel anhand der Fragestellung: Welche konstitutiven Elemente der „Bonner Republik“ finden wir in der gesamten BRD wieder bzw. fließen aus der BRD in die „Bonner Republik“ hinein? – und die Einbeziehung eines internationalen Blickwinkels, das heißt, wie über die „Bonner Republik“ gedacht und geschrieben, und mit ihr diskutiert und eine neue Europa-Architektur entwickelt wird, wobei dem Maß, wie viel Vergangenheit noch in der Gegenwart virulent ist, ein hoher Stellenwert gebührt. Dass in einem solchen Zusammenhang die ehemalige DDR einen hervorgehobenen Status innehat, versteht sich von selbst.

Die beiden vorausgegangenen Tagungen zu der „Entstehung einer Hauptstadtregion zwischen Köln, Düsseldorf und Brüssel: Die Bonner Republik“ (2019) und „Ende der Bonner Republik? Der Berlin-Beschluss und sein zeithistorischer Kontext“ (2021) sowie die Ringvorlesungen, die im Rahmen des Forschungsverbunds zur „Bonner Republik“ durchgeführt wurden zu „Heimat und Sehnsuchtsort“ „Werte/Wandel. Alltag in der Bonner Republik“ bilden die zeitlichen Koordinaten, innerhalb derer die Tagung interdisziplinäre Forschungsimpulse zur Diskussion stellen möchte. 

Mit diesem Call for Papers sind Forschende aller kultur- und geschichtswissenschaftlichen Disziplinen herzlich eingeladen, sich mit einem Themenvorschlag für einen Vortrag von 20–25 Minuten zu bewerben. Reise- und Übernachtungskosten werden für die Vortragenden übernommen. Bitte senden Sie Ihr Exposé im Umfang von einer Seite mit kurzen biographischen Angaben bis zum 15.09.2022 an: grande@phil.hhu.de und melanie.lange@hhu.de.  

Wünschenswert sind Vorschläge u.a. zu folgenden Themenschwerpunkten:

  1. Zum Provisorium
    • Wie viel Vergangenheit steckt in der Gegenwart der sich konstituierenden „Bonner Republik“?
    • Wo lag/liegt die „Bonner Republik“? Wo nicht?
    • Welche Rolle spielt die „Bonner Republik“ in NRW vice versa?
    • Provinz und Stadt: die „Bonner Republik“ über sich selbst
  • Die „Bonner Republik“ in NRW
    • Berlin als Zitat in der „Bonner Republik“ (z.B. Projekt Berliner Bär)
    • Dramaturgie der Bonn-Berlin-Achse (z.B. 1953, Mauerbau, Wende)
    • Bonn als Regierungssitz und Hauptstadt der „Bonner Republik“ (Politik, Stadtarchitektur, Infrastruktur, Kultur)
    • Düsseldorf als Landeshauptstadt von NRW (Wirtschaft, Kultur, Politik, Wissenschaft)
    • Köln als bevölkerungsreichste Stadt in NRW (Medien- und Kulturzentrum, Sitz des Erzbistums)
    • Welches Gewicht kommen der bundesrepublikanischen Industriemetropole (Kohle, Stahl) und dem in den 1970er Jahre beginnenden Strukturwandel des Ruhrgebietes für NRW und seine Städte (Dortmund, Essen, Duisburg, Bergkamen, Herne, …) zu?
    • 12 Regionen in Nordrhein und Westfalen und ihre (Nicht-)Vernetzung (https://www.nrw-tourismus.de/regionen-in-nrw: Die Bergischen Drei (Wuppertal, Remscheid und Solingen), Bergisches Land, Bonn & Rhein-Sieg-Kreis, Düsseldorf & Neanderland, Eifel & Aachen, Köln & Rhein-Erft-Kreis, Münsterland, Niederrhein, Ruhrgebiet, Sauerland, Siegen-Wittgenstein, Teutoburger Wald)
    • Die Rolle des Rheins als zentrale Verkehrsader, historischer Topos und mythischer Sehnsuchtsort
    • Architektur als ikonographisches Aushängeschild der „Bonner Republik“
    • Rundfunk und Fernsehen / Zeitung und Zeitschriften (bspw.: „Neues Rheinland – Das Magazin für die Region“ erschienen von 1958 bis 2003)
  • Über NRW hinaus
    • Bundesländer im Vergleich
    • Einflussfaktoren der Bundesländer bzw. Staaten                 
    • Internationale Eingliederung der „Bonner Republik“ (UNO, NATO, Weltsicherheitsrat, UNESCO) 
    • Die „Bonner Republik“ in NRW aus heutiger Sicht
    • Wieviel „Bonner Republik“ steckt in der heutigen „Bundesrepublik Deutschland“?
    • Entwicklung der „Bundeshauptstadt Bonn“ zur „Bundesstadt Bonn“?

Transformation von einem politischen Zentrum zu einem multikulturellen Fokus

  • Die Wahrnehmung des Begriffes „Bonner Republik“ durch die jüngere Generation, nach der Wende (nahezu vollständige Substituierung der „Bonner Republik“ durch eine wiedervereinigte „Bundesrepublik Deutschland“)

Kontakt:

Dr. Jasmin Grande, „Moderne im Rheinland“ – Zentrum für Rheinlandforschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf; 24.52.00.21, Universitätsstraße 1, 40225 Düsseldorf, grande@phil.hhu.de

Melanie Lange, M.A., „Moderne im Rheinland“ – Zentrum für Rheinlandforschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf; 24.52.00.21, Universitätsstraße 1, 40225 Düsseldorf, melanie.lange@hhu.de